Fliegerangriff Köln
Mein Vater, der Autor Konrad Athenhöfer, der den gesamten Krieg in Köln erlebt hat, hat seine Erlebnisse über den Fliegerangriff auf Köln in der Nacht vom 28. zum 29. Juni, bzw. den Tag darauf, niedergeschrieben. Diese Art von Aufzeichnung war damals strengstens verboten. Es hätte ihn Kopf und Kragen kosten können, wenn man die nachfolgenden Aufzeichnungen bei ihm gefunden hätte.
Wie auch in fast allen vorangegangenen Nächten des Monats Juni weckte uns auch diesmal in der Mitte der schönsten Schlafenszeit, gegen 1 Uhr früh, die Alarmsirene. Immer dasselbe Bild, dieselben Handgriffe ziehen im Halbschlaf vorüber bzw. werden ausgeführt. Unterhosen und Strümpfe an, Schuhe und Anzug liegen griffbereit, dann wird weiter geschlafen bis die Kanonen donnern und die Flugzeuge sausen, dass man den Eindruck einer unmittelbaren Gefahr gewinnt. Ein Uhr nachts Alarm und evtl. Schießerei lassen darauf schließen, dass es noch kein Rückflug der Tommys ist und eine gewisse Aufmerksamkeit bleibt vorerst um diese Zeit zurück.
In der Nacht vom 28/29 Juni zunächst dasselbe Geschehen, aber dann schon nach 10 Minuten wird draußen so geknallt und das Flugzeuggebrumm ist so deutlich zu hören, dass man sich in 3 Minuten angezogen hat und dann den Marsch in den Keller antritt. Das Getöse geht weiter, aber noch ist nichts zu sehen. Aber wenige Minuten später meint man die Sonne geht so schnell auf, wie es die Amerikaner in den südlichen Staaten jeden Tag sehen. In wenigen Minuten ist alles erhellt und schon sausen die Bomben. Das weißhelle Licht wird langsam rötlich, das deutet daraufhin, dass die ersten Brände ausgebrochen sind. 20 Minuten später ist der Himmel rot gefärbt, draußen ist die Hölle los.
Im Luftschutzkeller nehmen die Männer die Uhr in die Hand, sie rechnen. 30 Minuten sind vergangen, die Hälfte der Angriffzeit hat man herum und glücklich überstanden. Dass es sich um einen Großangriff, der erfahrungsgemäß etwa eine Stunde dauert, weiß man inzwischen längst. Also hoffentlich geht auch die nächste ½ Stunde glimpflich ab. Mehrfache kurze Besichtigungen der Hauswand vorn und hinten ergeben, es ist kein Schaden entstanden. Und schleppend läuft die Uhr. Nach 40 Minuten eine kleine Pause im Bombardement, aber schon wenige Augenblicke geht es mit unverminderter Heftigkeit weiter. Dann ist nach einer Stunde der Spuk vorbei.
Man geht mutiger heraus aus dem Keller als vorher, hier und da wird noch etwas geschossen aber es riecht nach Brand. Ein erneuter Blick auf die Straße ergibt, dass 500 m weiter eine Fabrik brennt, sonst scheint diese Gegend wenig berührt zu sein. Mit dem Nachbarn macht man einige 100 Schritte um zu sehen, ob der Fettkonzern und die Aiga noch stehen, aber es scheint noch alles in Ordnung zu sein.
Dann sagt der Nachbar, er wolle doch lieber sehen, ob die Fabrik, bei der er Teilhaber ist noch in Ordnung ist. Sie liegt am anderen Ende der Stadt. Wir gehen zurück, jeder von uns telefoniert und dann kommen wir auf dem Treppenflur wieder zusammen. Er verstört, ich mit zufriedener Miene. Eine Handbewegung von ihm hätte mir auch ohne kurze mündliche Erklärung gesagt, dass es in seinem Betrieb schwer brenne. Dann ein Besuch auf dem Boden und ein schrecklicher Blick ins Freie. Es brennt an vielen Stellen, man schätzt, das könnten der Güterbahnhof Gereon, die Domgegend, die Hafengegend sein.
Es sah schon böse aus, aber was eigentlich geschehen war, konnte man da nicht ermessen. Die Rauchwolken hatten die volle Sicht versperrt. Nun noch einen Gang in die Straße zu der Fabrik in der Eupenerstr., wo das Feuer immer weiter um sich gegriffen hatte. War die Benzinraffinerie getroffen? Könnte es also Explosionen geben? Die Untersuchung ergab, die Fabrik war zwar erledigt, um aber auf die Raffinerie übergreifen zu können war der Wind nicht stark genug. Beruhigt wird der Weg nach Hause angetreten. Lange ist kein Schuss mehr gefallen, aber es gab noch immer keine Entwarnung. Wie sich später herausstellte war die Sireneneinrichtung zerstört.
Und nun kommt der nächste Tag. Der kurze Weg zur Fabrik läßt erkennen, dass keine Straßenbahn fuhr. Im Geschäft ist ein Lehrling anwesend sonst niemand und dieser Stift hatte vorher mehrere Wochen gefehlt. Er kam jeden Morgen vom Lande per Autobus. So war es also wenigstens möglich, die Telefonzentrale zu besetzen. Das war, wie sich bald zeigte, auch ziemlich unnötig, denn man konnte so gut wie nicht mehr telefonieren!
In den Vormittagsstunden kamen dann einige wenige Arbeiter und Angestellte zu Fuß oder per Rad. Die meisten von ihnen waren selbst leicht fliegergeschädigt. Sie berichteten von dem, was sie in der letzten Nacht erlebt hatten und aus ihren Beschreibungen ging bereits hervor, dass es eine schreckliche Nacht gewesen sein mußte. Immer neue Botschaften trafen ein und eine immer schrecklicher als die Andere. Obwohl nun auch noch Angestellte kamen, die 2 Stunden und mehr zu Fuß gegangen waren, waren aber sicher keine 20 Arbeitskräfte verfügbar. An die Ausführung gewohnter Arbeit war nicht zu denken.
Am Abend dieses Dienstags fuhr ich dann noch selbst mit dem Lieferwagen in die Stadt, um die Mitteilung nachzuprüfen, ob die Vernichtung der Deutschen Bank, und der Bank für Landwirtschaft Tatsache geworden war. Schließlich mussten wir noch am nächsten Tage Geld haben, um die Gehälter auszahlen zu können. Die Fahrt war erschütternd genug. Es gab Bilder des Grauens. Menschen lagen in den Straßen, müde, mit vom Rauch entzündeten Augen, nasse Tücher darüber gebunden. Möbel auf den Fahrdämmen, dazwischen wieder noch brennende Häuser. So sah es schon in der Moltkestrasse und am Kapitol aus.
Jetzt kamen wir in die Gegend vom Gereon Güterbahnhof, dem Hansaring. Hier waren viele Sprengbomben gefallen. Die Straßenbahnschienen ragten in die Luft. Dann kam das Museum, in dem das Kaufhaus Peters untergebracht war, es bot ein Bild allerschlimmster Verwüstung. Dazwischen immer wieder brennende Häuser, Schutt, Geröll, geretteter Hausrat und verstörte, elend aussehende Menschen.
Weiter ging die Fahrt über den schon in früheren Angriffen nahezu vollständig vernichteten Eigelstein dem Hauptbahnhof zu. Unter der Eisenbrücke der Bahn kamen wir nicht mehr durch, sie war getroffen. Also fuhren oder hopsten wir die Maximilianstraße hinter dem Hauptbahnhof entlang. Dort stand nun überhaupt kein Haus mehr, auch kein ausgebranntes. Das Hauptstellwerk des Bahnhofs vernichtet, der Bahnhof schwer beschädigt, die nächste Unterführung in Richtung Dom gesperrt.
Neben mir wird es sehr heiß und dann erst bemerke ich, dass das Reichsbahndirektionsgebäude nunmehr gerade im Parterre ausbrennt und die Flammen nach außen schlagen. Lastzüge begegnen uns aus Oberhausen, Mönchengladbach, Dortmund und Münster, sonst sind keine Fahrzeuge unterwegs. Über viele Schlauchleitungen, alle aus dem Rhein, fahren wir hinweg wieder in Richtung Dom. Eine Beschädigung des Domes war nicht zu erkennen. Dann geht es an der Westseite des Bahnhofes vorbei, wo die Gepäckabfertigung durch Volltreffer vernichtet ist.
Auf der anderen Seite ist Schmidt am Dom vollkommen, das Deichmannhaus fast vollständig ausgebrannt. Noch immer arbeitet hier die Feuerwehr. Dann kommt das Bankenviertel Untersachsenhausen. Rechts das Gebäude der D.A.F., vollkommen ausgebrannt, ebenso die Hauptpost.
Links steht gleichfalls eine Ruine, besser eigentlich nur die Außenmauer. Das war einmal die Deutsche Bank in Köln. Dahinter die Reichsbank, zum großen Teil ausgebrannt, ebenso zu einem Teil die Dresdner Bank, die Elsässische Bank etc. Auf der anderen Seite die Gauwirtschaftskammer, der Gerlingkonzern und die anderen großen Verwaltungsgebäude. Dann kommen das bischöfliche Palais und weitere allergrößte Geschäftshäuser.
Weiter ging die Fahrt durch Trümmer und noch immer teilweise brennende Häuser. In der Gerionstraße war gerade ein Haus soweit heruntergebrannt, dass die Flammen sich der Außenklingel zu den Wohnungen bemächtigten. Ein eigenartiges Bild wie an dem sonst steinernen Hauseingang die kleine Flamme loderte, als wolle sie an ihrem Zerstörungswerk auch noch so kleine Chance auslassen.
Dann wurde der Ring wieder überquert und in die Brüsselerstr. eingebogen. Immer wieder Schläuche überfahrend, die bis vom Aachener Weiher her gelegt waren. Ich hatte noch den Auftrag möglichst dafür zu sorgen, dass wenigstens einer unserer Nachtwächter zum Dienst kommt, denn da bei Tage ganz ungenügend Personal zur Stelle war, wußte man ja, dass in der Nacht die Luftschutzwache sehr schwach war. Der Mann wohnte in der Moselstraße, die direkt parallel der Bahn verläuft. In dieser Strasse gab es überhaupt kein heiles Haus mehr. Luftminen und Brandbomben hatten ein unglaubliches Zerstörungswerk hier angerichtet. Die Leute saßen auch hier neben ihrer geretteten Habe und warteten der Dinge die da kommen sollten.
Tausende haben so die Nächte im Freien verbracht. Wäre der Tommy am nächsten Tage oder in der Nacht noch einmal gekommen, die Katastrophe hätte in der Auslöschung fast allen Lebens geendet. Auch des Nachtwächters Haus sah wüst aus, aber er wohnte noch darin und kam schließlich auch mit zum Dienst. Gestern sagte er mir, dass er nun auch sein Haus räumen müsse, weil Einsturzgefahr bestände. So endete dann die Rundfahrt etwa 16 Stunden nach dem schweren Angriff auf Köln.
In der Frühe des folgenden Tages, des 30.6., ging ich zu der Filiale der Deutschen Bank, die angeblich den Zahlungsverkehr für die Zentrale, soweit es die Buchstaben A – H betraf, übernommen hatte. Ich präsentierte als erster Kunde meinen Scheck über 20.000,-Mark. Da war zuerst gar nichts zu machen. Die Filiale hatte weder Konten, noch Unterschriftenbögen, noch genügend Geld, um auf so hohe Forderungen eingerichtet zu sein. Es sollte zwar eine Million Mark an die Filiale abgehen, da aber auch die Reichsbank kaputt sei, würde das wohl noch etwas dauern. Nach einigen Verhandlungen hatte ich dann den Kassenbeamten soweit, mir die 20.000,- Mark aus seinen Depositengeldern zur Verfügung zu stellen; aber es mußte mir wenigstens gelingen irgendwie nachzuweisen, dass die Unterschriften auf dem Scheck, darunter meine eigene, rechtmäßig waren. Ein Prokurist der Zentrale gab dann seinen Namen dazu her und ließ damit die Auszahlung zu. Ich war glücklich, dass es bei uns wenigstens Geld geben konnte. Zehntausende haben bestimmt keine Löhnung erhalten.
Auch dieser Tag verlief bei 1% Arbeit unter immer neuen Schreckensnachrichten, denn nunmehr wurde immer mehr bekannt, dass die Stadt einer Katastrophe ausgesetzt gewesen war und alles das, was ich am Vortage mit eigenen Augen gesehen hatte, gar nichts gewesen seien soll. Immer neue Vermissten wurden bekannt, immer mehr Angestellte und Arbeiter aus der Altstadt meldeten ihre gesamte Habe verloren zu haben und von immer mehr Gefolgschaftsmitgliedern wurde bekannt, sie könnten nicht zum Dienst erscheinen, weil sie ihre Angehörigen suchen mussten. Es hieß aus immer mehr glaubwürdigen Quellen, die Toten lägen in den Strassen, damit jeder ihre Identität feststellen könne.
Die Lähmung, die alle Anwohner Kölns befallen hatte, machte sich mehr und mehr in einer maßlosen Wut breit, die sich gelegentlich im Verhauen einiger braun angezogener Herren, vor allem aber in Schimpfen breit gemacht haben soll bzw. hat. Die Wut war enorm, aber merkwürdigerweise nicht gegen die Engländer, ich habe keinen einzigen Menschen gehört, der auf die Ausführer dieser Schreckensnacht geschimpft hätte. Die Gerechtigkeit läßt sich nicht unterdrücken!
Helle Empörung aber besteht vor allem über die wüste Propaganda mit dem Kölner Dom, dem gemessen an den weiter unten zu schildernden Zerstörungen nur ganz unbedeutender Schaden zugefügt sein soll. Ich bin, wie sich später herausstellte, an der Einschlagseite der Bombe vorbeigefahren, habe allerdings während langsamer Fahrt bemüht irgendwelche Beschädigungen zu entdecken und habe keine gesehen. Wir sind einen Dreck wert, Hauptsache der G.(öbbels) hat seine Propaganda mit dem Dom und so ähnlich war die Meinung. Ich sah in der Stadt eine offenbar halb wahnsinnige Frau sich in diesem Sinne ganz laut äußern. Aber wie gesagt, bei allen, die ich hörte, hat de Dompropaganda eine Wirkung ausgelöst, die sicher nicht beabsichtigt gewesen ist.
Nunmehr wollte ich aber auch noch wissen, wie es also in der Altstadt aussieht und am Neumarkt und an anderen Plätzen. Ich beschloss daher, am 3. Abend nach dem Angriff, mir noch mal selbst ein Bild zu machen, von dem ich nun nachfolgend auch noch berichten will:
Von Braunsfeld bis zum Opernhaus fuhr nunmehr wieder die Straßenbahn. Es war die einzige Linie, die in Köln überhaupt 36 Stunden nach dem Angriff verkehrte. Zu Fuß gingen meine Frau und ich zum Neumarkt. Wir fanden dort kein einziges benutzbares Haus mehr. In einer nur halb ausgebrannten Ruine wurde gerade Essen aus der Gulaschkanone verteilt. Da keine Löffel zur Verfügung standen, nahmen die meisten der verpflegten den Teller vor den Kopf und schlürften so ihr Kohlgemüse.
Fast alle Straßen rechts und links vom Neumarkt waren abgesperrt. Wohl der einzig passierbare Weg war der um das ausgebrannte Polizeipräsidium herum. Ein Blick auf die dort mündende Schildergasse genügte, dass auch dort kein einzig mehr intakt befindliches Haus stand. Auch die Schildergasse war abgesperrt. Also um das Präsidium herum, war die Krebsgasse schon wieder abgesperrt. Wir mussten demnach hinter dem vollständig vernichteten Theater herumgehen in Richtung der Breitenstrasse, kamen an dem vernichteten Bau von 4711 vorbei. Die ganze Gegend stark verwüstet.
Durch immer noch brennende Häuser und Keller und Absperrungen kamen wir dann wieder zur Schildergasse am ebenfalls völlig vernichteten Brenninkmeyer vorbei zu dem immer noch sehr heftig brennenden Kaufhof. Einige weitere Schritte überzeugten uns davon, dass der Gürzenich und die Stadtsparkasse ausgebrannt sind. Alles was wir bis dahin gesehen hatten, bot ein grauenhaftes Bild der Verwüstung. Überall zusammengefallene Häuser, ausgebrannte oder noch immer brennende Gebäude. Aber all das war noch bescheiden was wir in der Folge zu sehen bekamen, als wir uns mehr und mehr der Altstadt näherten. Hier stand überhaupt kein Haus mehr, das nicht schwer beschädigt war. Wohin man auch sah, es war alles ein entsetzliches Bild der Verwüstung.
Gewiss, Köln hatte seinen 31. Mai 1942, aber der erscheint heute als ein Kinderspiel. Ich sah den S.H.D. nach Toten oder eingeschlossenen graben, kletterte über 10 m hohe Schutthaufen, nur Trümmer und Verwüstung. Im Hafengelände steht kein Haus mehr, das nicht mindestens bis auf die Außenmauern heruntergebrannt ist. Krähne ausgebrannt, versenkte Schiffe, alles tot.
Im Geschäft wurde erzählt, die Toten lägen noch auf der Straße, ich habe keine mehr gesehen. Aber es müssen Tausende gewesen sein, denn aus diesen Löchern kommt niemand ohne Hilfe von Außen mehr heraus. Und Hilfe? Ja es ist sicher sehr viel getan worden um zu retten, was zu retten ist. Aber gegen dieses Ausmaß der Katastrophe ist schnelle, wirksame Hilfe unmöglich.
Die Bevölkerung verhielt sich teils apathisch, teils gereizt. Ich hörte einen Mann laut zu einer Gruppe von Menschen sagen: “Was wollt ihr denn, wir haben es doch nicht anders haben wollen!“ Alle stimmten ihm bei. Jene deutsche Objektivität ist auch durch das lauteste Geschrei nicht unterzukriegen. „Was jammern die über den Dom, hätten sie ihn nur zusammen geschmissen und unsere Wohnungen dafür stehen lassen. Wir brauchen ihn ja doch nicht mehr. Nach dem Krieg hätten sie ihn sowieso nur bestenfalls als Pferdestall benutzt!“
Überhaupt, die Propaganda mit dem ganz offensichtlich abgerutschten Treffer (denn es wäre ein Meisterwerk gewesen, wie tatsächlich gesehen, alles um ihn herum kaputt zu werfen, ohne ihn überhaupt irgendwie zu beschädigen).Das war ein Schlag ins Gesicht für die Kölner. Ich habe niemand gehört, der nicht dm Sinne nach erklärte:“ Hauptsache die haben ihr Propaganda-Instrument, was wir Menschen hier machen, ist denen völlig gleichgültig!“
Heute sind Bilder in der Presse erschienen, die sie wohl gebracht haben, weil Beschädigungen von außen kaum zu sehen sind. Aber diese Bilder zeigen deutlich die ganze Lächerlichkeit dieser Propagandamache, wenn man die Verwüstungen rund um den Dom einschließlich des daneben liegenden Bahnhofes sieht.
Überhaupt, die Stimmung ist großartig. Hier ein Schutthaufen, darauf steckt eine Hakenkreuzfahne und im Rathaus, das ebenfalls vollständig ausgebrannt ist, liegt die verkohlte Büste Hitlers direkt im Eingang, sodass sie jeder sehen kann. Jeder fragt sich nur, wie soll das weiter gehen.
Nun, die Antwort ist schon von der anderen Seite gegeben worden in der Nacht zu heute, Sonntag den 4.7.43. Wir hatten wieder einen wüsten Angriff über den Stadtteilen Kalk, Deutz und Mühlheim wüteten wieder Brände, die die Nacht weithin erhellten. Der Angriff mag nach den bisherigen Erfahrungen zu urteilen nicht ganz so schwer gewesen sein wie in der Nacht vom 28/29.6., aber ich glaube, dass er nicht viel dahinter zurück bleiben wird.
Bisher habe ich nichts darüber in Erfahrung bringen können, denn es gibt ja keine Verbindungen, durch die ganze Stadt fährt noch immer keine Straßenbahn, Telefonverkehr, ist ebenfalls weitestgehend unterbrochen, Post bekommen wir überhaupt nicht mehr. Köln ist t o t. Wenn wir hier im Westen der Stadt noch mal eine Ladung bekommen haben, dann brauchen die Tommis keine einzige Bombe mehr auf Köln zu werfen. Die Arbeitsintensität ist in den Betrieben unbedeutend und tausende von Fabriken sind sowieso vernichtet. Auch der angerichtete industrielle Schaden vom 29.6. ist gewaltig. Humboldt Deutz, Pohlig und viele andere Betriebe sind schwer getroffen. Die Güterbahnhöfe Gereon, Eifeltor, der Hauptbahnhof, der Südbahnhof und viele andere, darunter auch Köln Deutz wurden bei dem hier näher beschriebenen Angriff vernichtet oder schwer beschädigt.
Die Hindenburgbrücke ist bekanntlich schon seit Monaten für jeden Verkehr (außer dem Fußgängerverkehr!) gesperrt. Nunmehr gilt auch für die Hohenzollernbrücke das Gleiche. Welcher Art die Beschädigungen hier sind konnte ich noch nicht erfahren. Ich kann daher auch nicht sagen ob, dieser Ausfall durch den der Verkehr empfindlich gestört wird, länger anhalten wird. Sollte nunmehr auch noch die Mülheimer Brücke beschädigt werden, dann wird die Lage sehr unangenehm.
So will ich diesen Bericht schließen, jedoch nicht ohne Angabe der Totenzahl, die aus der Nacht vom 28./29.6. zur Zeit mit 15000 angegeben wird. Es bestehen offiziell in Köln z. Zt. 7 große Hallen in denen nicht identifizierte Leichen untergebracht sind. In jeder dieser liegen mehr als 1000 Menschenleiber, deren Herkunft noch ermittelt werden müssen. Wie das in der Praxis geht, mag folgende Tatsache beleuchten:
Eine Dame aus Mühlheim/Ruhr hatte von 3 Kindern ihre älteste Tochter zu ihrer Schwester nach Köln gegeben. Sie suchte in den ersten 2 Tagen ihre Schwester und ihre Tochter, fand sie schließlich auch als unbekannte Leiche auf dem Gehsteig einer Straße. Sie heftete an die Kleider Zettel mit Namen und Anschrift dieser Personen. Dann ging sie zu ihren anderen Verwandten (mein Hauswirt). Als diese nun Maßnahmen getroffen hatten um die Leichen abzuholen, waren diese weggeräumt und blieben unauffindbar. Daraufhin haben sie alle die Leichen in den verschiedenen Sammelstellen gesucht und ca. 3000 Leichen visitiert, ohne ihre Verwandten zu finden. Ob der Versuch, die Leichen weiter zu suchen, fortgesetzt wurde, ist nicht bekannt.
Der Bericht ist vertraulich zu behandeln, jede Angabe über die Herkunft desselben ist zu unterlassen.